Ich brauche Fahrradhandschuhe zum Radfahren. Ich kenne Leute, die brauchen nicht unbedingt welche. Ich kenne sogar jemanden, der sich extra für eine lange Rennradtour Fahrradhandschuhe gekauft und diese dann nach der Hälfte der Strecke entsorgt hat, weil er feststellen musste, dass er nicht mit Handschuhen klarkommt, sondern am liebsten ohne fährt.
Für mich persönlich geht nichts ohne Handschuhe auf dem Rennrad. Dazu kommt, dass ich sehr zu Rotzbildung neige und ohne Frotteedaumen überhaupt nicht wüsste, wo ich mir nach dem Schnäuzen die Nase abwischen sollte. Ich habe im Laufe der Jahre schon so einige Radhandschuhe ausprobiert und am allerliebsten wische ich mir meine Nase an den Giro LX Handschuhen ab.
Ungefähr zu der Zeit, als ich mit dem Rennradfahren begann, stieß ich zufällig auf der Suche nach neuen Radhandschuhen auf die Giro LX. Ich war sofort hin und weg: klares Design, einfache Linien, klassische Optik. Gelochtes Schafsleder mit einem großen Ausschnitt am Handrücken, das Material unglaublich weich, die Gel-Polsterung im Gegensatz dazu Hightech. Und ein Frotteedaumen auf beiden Seiten. Einzig der Preis hatte es in sich, aber wir reden hier immerhin von einem Premium-Handschuh. In diesem Segment ist die Luft dünn. Die Grand Tour Gloves von Rapha kosten mehr als das Doppelte, so what?
Als ich die Giro LX das erste Mal anprobierte, hatte ich sofort das Gefühl: Die ziehe ich nie wieder aus. Das konnte ich auch gar nicht so einfach, denn die Handschuhe umschlossen meine Hände ziemlich eng. Aber das muss so sein, hatte ich mir erklären lassen. Die sind aus Leder, die weiten sich. Nun gut.
Um es kurz zu machen: Sie weiteten sich nicht einfach. Vielmehr passten sie sich meinen Händen an, bis sie saßen wie eine zweite Haut. Ich kann die Dinger anziehen und vergessen. Nirgends drückt oder zwickt es, nichts scheuert. Und das Polster! Das verdient glatte 10/10 Punkten. Es ist dünn, aber extrem stabil und komfortabel. ich kann tagelang mit dem Rennrad unterwegs sein, ohne dass ich Probleme mit den Händen habe.
Ich habe meine Giro LX nicht geschont. Ich bin damit unterwegs gewesen bei Regen und bei Sonnenschein, bei brütender Hitze und bei Nässe und Kälte (relativ, wir reden hier von Kurzfingerhandschuhen). Auf der Straße und im Schlamm. Ich habe sie in vier Jahren vielleicht einmal gefettet. Wie oft ich sie gewaschen habe, lässt sich an einer Hand abzählen. Und die Handschuhe haben mir alles verziehen, haben klaglos ihren Dienst getan. Bis jetzt.
Ausgerechnet am ersten Tag meiner diesjährigen Rennradtour zeigten die Handschuhe mit einem Mal massive Verschleißerscheinungen. Das Leder, das zugegebenermaßen schon länger ziemlich dünn war, riss gleich an mehreren Stellen auf, auf beiden Seiten. Aus Herstellersicht bezeichnet man dies wohl als optimalen Produktlebenszyklus (alles geht gleichzeitig kaputt). Aus meiner Sicht war das jedoch alles andere als optimal. Ich sah mich bereits mit bloßen Händen Berge hinaufkeuchen und mir den Rotz am Trikot abwischen. Aber die Giro hielten. Bis zum Ende der Tour.
Die Dinger haben ihr Leben gelebt. Aber nicht einmal jetzt, wo sie wirklich unansehnlich dreckig sind und mir quasi in Fetzen von den Fingern hängen, lasse ich ihnen ihre Ruhe. Ich ziehe sie einfach zum crossen an, wenn es dafür nicht zu kalt ist. Dafür langen sie allemal noch. Ich kann mich einfach nicht von ihnen trennen.
Aber im nächsten Frühjahr, da werde ich sie endgültig beerdigen. Das nächste Paar Giro LX liegt schon in der Schublade. Für die nächsten vier Jahre. Etwas anderes kommt mir nicht zwischen den Rennradlenker und meine Haut. Zumindest im Sommer nicht.
Der König ist tot. Es lebe der König!
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