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Berge! – das llama racing team auf Belchentour

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Planung ist alles. Wenn man vorbereitet ist.

In den Schwarzwald wollte ich schon immer einmal. Schön soll es dort sein, sagt man. Vor allem wollte ich schon immer einmal nach Freiburg im Breisgau. Dies aus mehreren Gründen:
1. Ich habe schon so einiges darüber gehört.
2. Es soll sich um eine der sonnigsten Ecken Deutschlands handeln.
3. Es liegt ganz in der Nähe zur Schweiz und zu Frankreich.
4. Es soll schön sein, sagt man.

Was hat man, wenn man Zweitens bis Viertens zusammenzählt? Richtig: Neun (Dazu komme ich gleich). Und außerdem hat man schöne Voraussetzungen, um die Seele und die Zunge mal ein paar Tage baumeln zu lassen. Auf dem Rennrad. Mit einem guten Freund (dem besten!), der zufällig auch noch den anderen Teil vom llama racing team ausmacht.

Vor nicht allzu langer Zeit fiel mir eine ältere Ausgabe des Tour-Magazins in die Hände. Darin ging es um eine Rennradtour zu den Belchen. So werden in der Gegend um das Dreiländereck drei Berge genannt, die den gleichen Namen tragen, aber in drei verschiedenen Ländern und drei verschiedenen Gebirgen liegen. (Wer hat aufgepasst? DREI Länder, DREI Berge, DREI Gebirge: ergibt NEUN! Verrückt, oder? Wenn das nicht passt, dann weiß ich es auch nicht.)

Da wäre zum Ersten der Belchen im Schwarzwald, 1350 m hoch.

Dann der Belchenflue im Juragebirge in der Schweiz, mit 991 m auch kein Hügel mehr, sondern beinahe so hoch wie der Brocken im Harz.

Schlussendlich dann der Grand Balloon in den Vogesen, Frankreich. Misst 1340 m und ist einigen unter euch vielleicht von der diesjährigen Tour de France bekannt. (Anmerkung: die Höhen der Berge variieren je nach Quelle. Dies sind die Höhen, die im Tour-Magazin angegeben sind.)
Wieso die alle verschiedene Namen haben, obwohl ich behaupte, dass die alle Belchen heißen? Laut wikipedia stammt der Name von den alten Kelten und bedeutet „der Strahlende“. Es hat wohl etwas damit zu tun, dass man von jedem Belchen die beiden anderen Belchen sehen kann (Wir sind gespannt!).
Über diese Berge soll uns also unsere diesjährige Jahresabschlusstour führen. Soweit zumindest der Plan. Die Höhenprofile versprechen Anstrengung, die Belchen sind darauf eindeutig zu identifizieren.

Die nackten Planungsdaten der Belchentour.

Die nackten Planungsdaten der Belchentour.

Die Streckenlängen sind von uns so gewählt worden (und ganz ähnlich auch im Tour-Magazin vorgeschlagen), dass wir auf jeden Fall innerhalb eines Tages ankommen können. Wer jetzt sagt: Das soll eine richtige Rennradtour sein? Das ist ja Kinderkram!, dem sei gesagt, dass wir es uns nicht zu einfach machen. Ich selbst habe seit dem Familienurlaub im August nur ein einziges Mal auf dem Rennrad gesessen (bei Marios Junggesellenabschiedsrunde), mich mit massenweise ungesundem Zeug gemästet (Einschulung meines Sohnes und danach mehrere Tage Restkuchen) und mir zur Verschärfung eine Woche vor der Tour noch am Zahnfleisch rumschnippeln lassen. Mario hat ja zum Ausgleich eine Heldenkurbel und als Maximalübersetzung 39-25 zur Verfügung. Ausgeglichene Verhältnisse also, sollte man meinen. Dass Mario eine Unmenge mehr Höhen- und Kilometer in den Beinen hat als ich sollte ich besser unerwähnt lassen…

Tag 1 – Titan(en) der Straße

Wer würde da nicht gern hinterherfahren?

Wer würde da nicht gern hinterherfahren?

Gegen 7 (so der Plan) oder besser 8 (reale Zeit) hatten wir es endlich geschafft, unsere Räder nebst Gepäck im Auto unterzubringen und waren bereit, die Reise anzutreten. Die Hinreise verlief recht ereignislos, wenn man davon absieht, dass die Strecke von München ins Breisgau am Bodensee entlang verläuft und dort ohne Autobahn auskommen muss, was uns endlose Autoschlangen ohne Aussicht (Nebel) und anderthalb Stunden Verspätung einbrachte. Die Belchentour sollte zwar erst morgen starten, aber ein wenig Zeitdruck hatten wir trotzdem. Wir hatten nämlich einen Termin.

Und zwar bei Peter Hinterlang von MILES High End Cycling. Wenn man schon einmal in Freiburg ist und so fahrradverrückt wie wir, dann sollte man Peters Laden (oder besser gesagt seinen Keller) unbedingt einmal einen Besuch abstatten. Die Räder dort haben übrigens alle eine Gemeinsamkeit: sie bestehen aus Titan. Und da wir schon immer mal ein Titanrad fahren wollten, ergriffen wir die Möglichkeit beim Schopf.

noch ein wenig skeptisch?

Noch ein wenig skeptisch?

Dort angekommen, begannen wir direkt, Peter mit Fragen zu löchern. Schließlich kann man ja nicht reinplatzen und fragen „Wo stehen die Proberäder?“, sondern muss zumindest ein wenig das Eis brechen. Bei Peter merkt man sofort: Er weiß, wovon er redet. Zu jedem Hersteller wusste er etwas über dessen Räder und deren Charakteristik und Unterschiede zu sagen. Schließlich sagte er: „Diese beiden Räder habe ich für euch ausgesucht. Wir haben so eine Standardrunde, die ist etwa 38 km lang und hat 600 hm. Da ist eigentlich von allem was dabei.“ Wie cool ist das denn bitte??? Wo kriegt man denn ein High-End-Rad für so eine Proberunde (inkl. GPS) ausgehändigt?

Es handelte sich um ein Moots RSL und ein Punch Palooka. Das Moots war ausgestattet mit einer 11fach Dura ACE und das Punch mit hydraulischen Scheibenbremsen und einer Ultegra Di2 neuester Generation. Beide Räder zierte eine Titansattelstütze und das Moots sogar noch ein Vorbau aus dem edlen Metall. Sehr vielversprechend. Ich bekam das Moots, Mario das Punch, tauschen konnten wir ja unterwegs mal (wollten wir aber nachher gar nicht mehr).

Moots Punch 1

Die Testrunde, die wir fuhren, öffnete uns die Augen. Wir wissen nun, dass sich ein Titanrad tatsächlich um Welten (echt jetzt!) komfortabler fährt als beispielsweise mein Storck. Selbst Mario, der ja einen Stahlrahmen besitzt, war begeistert. Ob mit dem Komfort die Steifigkeit flöten geht? Weit gefehlt! Die Räder fühlten sich nie zu weich an, ob nun im Antritt, im Sprint, bergauf im Wiegetritt als auch bergab. Apropos bergab: So ein Titanrahmen, vor allem wie bei uns noch gepaart mit 25er Reifen, bügelt Unebenheiten auf der Straße einfach weg. Genial. Das Fahrverhalten lässt sich schwer in Worte fassen. Man muss es einfach erfahren.

Wir sind uns einig, dass für Normalsterbliche wie uns, die keine kurzen, schnellen Rennen fahren, Titan das ideale Rahmenmaterial darstellt. Ob man damit in einem Kriterium das letzte Quentchen Energie auf die Straße kriegt, ist für uns egal. Viel wichtiger ist, dass man mit so einem Rad auch mal über einen Feldweg abkürzen kann (Kratzer und Steinschläge kann man einfach rauspolieren). Bergauf geht die Kiste super, bergab flattert auch bei 70+ km/h nichts. Und wenn man mal übern Hubbel fährt, haut es einem auch nicht gleich die Plomben raus.

Fazit: wenn wir mal ein llamaracing Teambike vorstellen sollten, dann hat das einen Rahmen aus Titan…

Der Rest des Tages verlief unspektakulär. Klar, wie soll man das auch toppen? Er bestand aus

  • diskutieren über Titanräder
  • einchecken im Hotel
  • Sachen packen
  • diskutieren über Titanräder
  • Essen
  • diskutieren über Titanräder
  • schlafen.

In der Reihenfolge.

Belchen – Sackgasse

High

Ich erwachte mitten in der Nacht, als Geräusche von starkem Regen und Donnergrollen an mein Ohr drangen. Ich überlegte kurz, Mario zu wecken (aus Bosheit), entschied mich aber dagegen und drehte mich noch einmal um. Schließlich würde ich alle Kräfte brauchen, die ich kriegen konnte.

Als der Wecker um 6 Uhr klingelte (und dann noch einmal um 6:10, 6:20 und 6:30), hatte sich der Regen bereits wieder verzogen und auf den Straßen zeigten sich die ersten trockenen Flecken. Das Wetter sollte laut Vorhersage durchwachsen werden, dementsprechend freuten wir uns über jeden Meter, den wir trocken zurücklegen könnten. Dass wir tatsächlich ein derartiges Wetterglück haben sollten, wussten wir ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Nach einem ausgiebigen Frühstück, das soll schließlich die wichtigste Mahlzeit des Tages sein, machten wir uns auf den Weg. Ich mit dem in unzähligen Commute-Fahrten und meiner letzten Rennradtour bewährten Rucksack von Rapha auf dem Rücken (der damals noch nicht ganz so teuer war, aber sein Geld wert ist), Mario mit prall gefüllten Trikottaschen und der Rolle am Lenker. Irgendwie hatte er es geschafft, alles Zeug, welches er zu benötigen meinte, dort hinein zu stopfen. Er hatte zwar dieses Jahr schon einige Gelegenheiten dies zu üben, aber trotzdem: Wie er das geschafft hat ist mir ein Rätsel. Obwohl ich nicht wesentlich mehr dabei hatte, brachte ich es nicht fertig, alles in die Rolle zu kriegen. Vielleicht hätte ich mir da helfen lassen sollen, aber das ging wohl gegen meinen Stolz oder so. Jedenfalls musste ich einen Rucksack tragen, was aber letztendlich nicht so störend war, wie es sich anhört. Für das nächste Jahr liebäugle ich mit einer großen Satteltasche aus dem Bikepacking-Bereich.

Es kann losgehen. Ich bin soweit.

Es kann losgehen. Ich bin soweit.

Da der Garmin-Track einige Dörfer weiter südlich begann (schlechte Vorbereitung, ich weiß), zog sich der Anfang etwas hin (fahren, anhalten, auf Karte gucken, beratschlagen, weiterfahren, anhalten usw.). Einmal auf dem Track ging es dann aber recht reibungslos vonstatten, zumindest was die Navigation anging. Abenteuer hin oder her, so ein Garmin ist wirklich Gold wert, wenn ihr mich fragt. Wenn man ins Ausland fährt, sollte man noch klären, ob man auch die entsprechenden Karten geladen hat, aber ich will den nächsten Tagen nicht vorgreifen. Im Schwarzwald war jedenfalls alles da.

Aus dieser Perspektive sehe ich Mario oft.

Aus dieser Perspektive sehe ich Mario oft.

Je weiter wir in Richtung Süden fuhren, umso malerischer wurde die Landschaft. Wir kamen durch kleine und größere Gemeinden mit zum Teil wirklich schönen Fachwerkhäusern im Ortskern und winzigen Gässchen dazwischen. Der Track selbst führte allerdings stetig bergauf. Mario schien das nicht weiter zu bemerken, mir allerdings saugte das kontinuierlich Kraft aus den Beinen. An meinen fahrerischen Qualitäten diesbezüglich muss ich ernsthaft mal arbeiten.

Wohin nun? Das kommt davon, wenn man den mit dem Navi abhängt.

Wohin nun? Das kommt davon, wenn man den mit dem Navi abhängt.

In voller llamaracing Teamkleidung

In voller llamaracing Teamkleidung.

Spätestens ab Kilometer 19 ließ es sich nicht mehr leugnen: es ging bergan. Ich war noch nie so weit am Stück bergauf gefahren, immerhin standen mir knapp 1000 Höhenmeter bis zum Belchen bevor, und so war ich gespannt, was denn da kommen mochte. Und was da kam. war – schön.

Ich kann es nicht anders beschreiben. Man sieht es auch nicht an meiner Durchschnittsgeschwindigkeit. Aber es war einfach schön, so kontinuierlich bergauf zu fahren. Die Ruhe, die gleichmäßige Bewegung, die in eine Art Trance führt – alles, was ich über das Befahren von Bergen mit dem Rennrad gelesen hatte, stimmte! Nun gut, es stimmte an diesem Tag auch alles andere: die Aussicht, das Wetter, die Steigung (nicht zu steil). Das mag zu meinem Hochgefühl beigetragen haben.

Eisenbahnplatte. Kitschig. Schön. Schwarzwaldpanorama.

Eisenbahnplatte. Kitschig. Schön. Schwarzwaldpanorama.

Bis zum Wiedener Eck ging es stetig bergauf. Folgt man der Hauptstraße, dann geht es von dort eigentlich schon wieder abwärts bis nach Schönau im Schwarzwald (dort, wo anscheinend Jogi Löw herkommt; wieder was gelernt). Es sei denn man will auf den Belchen. Dann biegt man nach ein paar Kilometern rechts rein. So wie wir. Wenn man dann noch voll im Abfahrtsrausch ist, so wie wir, und nicht rechtzeitig in leichtere Gänge schaltet, so wie wir, dann bleibt man erst einmal in einer ziemlich steilen Wand stecken und muss seiner Schaltung antun, was eigentlich keine Schaltung verdient hat. So wie wir. Also aufgepasst!

Von dieser Stelle an gestaltete sich die Navigation denkbar einfach, denn es gab nur eine Richtung: bergauf. Die Straße, die sich an der Talstation einer Seilbahn vorbeiführt, die uns aber keinen Augenblick lang in Versuchung führen konnte, schien an Steilheit ständig zuzunehmen. (Wenn ich gewusst hätte, was im Juragebirge auf uns wartete, wäre ich relaxter gewesen, aber ich greife schon wieder vor.) Aber irgendwann hat jede Straße ein Ende und jeder Berg einen Gipfel. Unser Lohn bestand aus einem Stück Kuchen in Baden-Würtembergs höchstgelegenem Gasthaus, einer Aussicht, die sich zunehmend bewölkte und fallenden Temperaturen (auf über 1300 m). Ich hatte ja erzählt, dass man von jedem Belchen die anderen Belchen sehen könne. An diesem Tag war dem leider nicht so, da man schlicht nicht weit genug schauen konnte. (Wir konnten in Wirklichkeit von keinem der Belchen die anderen Belchen sehen, da wir schlicht nicht wussten, wohin wir hätten schauen müssen, aber das nur am Rande.) Kein Grund, lange zu bleiben. Also schossen wir die Bilder, die man einfach schießen muss, wenn man einen Gipfel erreicht und stürzten uns in die Abfahrt.

100 m Gravelracing am Belchen

100 m Gravelracing am Belchen

Nach einer wunderbaren Abfahrt, während der ich feststellen musste, dass ich diesbezüglich wohl auch eher zu den Angsthasen gehöre, und der anschließenden Passage durch Jogi Löws Heimatstadt (überall Plakate und Banner, unmöglich zu übersehen) bog der Track von der Hauptstraße ab und schlängelte sich wieder eine Steigung hinauf. An dieser Stelle setzte leichter Regen ein. Als ich es endlich geschafft hatte, das Regencover rauszukramen und über den Rucksack zu stülpen, war der Spuk allerdings schon wieder vorbei. Wieder was gelernt: Regencover gehören ganz oben in den Rucksack. Nach etwa 3 Kilometern kamen wir durch ein kleines Dorf namens Hof und was dort begann, war wohl einer der schönsten Abschnitte der gesamten Tour. Aber zuerst einmal war Mario verschwunden.

Ich kam ein paar Meter hinter Mario im Dorf an (eigentlich nur eine kleine Ansammlung von Häusern und ein, zwei Bauernhöfen, allerdings mit einem Ortseingangsschild, also muss es wohl ein Dorf gewesen sein). Als ich bemerkte, dass Mario nicht da war, blieb ich stehen und sah mich um. In was für einer verlassenen Gegend waren wir hier gelandet? Der Dörfler würde sagen: Sieht urgemütlich aus. Der Städter in mir meinte dazu: Ur- ja, aber wohl uralt! Ob wir in diesem Jahr die ersten Fremden hier sind? Gucken die schon hinter den Fensterläden? Sollten wir vielleicht so schnell wie möglich weiter? Und wo zum Teufel ist eigentlich Mario abgeblieben? Aber da kam er auch schon aus einem kleinen Feldweg, der zu einem Apfelhain führte, auf mich zugerollt, gottseidank unversehrt und mit zwei frisch gepflückten Äpfeln in der Hand. Einen gab er mir, wegen der Vitamine und so, einen aß er selbst. Dann konnten wir unseren Weg fortsetzen. (Das mit dem Dorf war natürlich übertrieben. Aber Übertreibung macht bekanntlich anschaulich. Ihr wisst, was ich meine.)

Das haben wir uns verdient. Kuchen und Suppe im höchstgelegenen Gasthaus in Baden-Württemberg.

Das haben wir uns verdient. Kuchen und Suppe im höchstgelegenen Gasthaus in Baden-Württemberg.

Die Straße schlängelte sich ab dem Dorfeingang weiter bergauf und wurde bald derart schmal, dass wir an den Rand hätten fahren müssen, wenn uns ein Auto entgegengekommen wäre. Anscheinend, gottseidank, war dies hier nur sehr selten der Fall. Die besten Straßen zum Rennrad fahren sind doch immer noch die, die man ganz für sich allein hat. Jedenfalls ging es über Kilometer immer wieder bergauf, bergab, durch waldige Abschnitte, vorbei an Wiesen und immer wieder an Punkte, an denen man die wahrlich atemberaubende Aussicht in den Schwarzwald und auf das Juragebirge genießen konnte, welches uns am nächsten Tag erwartete. So erschlängelten wir uns unseren Weg in Richtung Rheinfelden, unser Tagesziel. Die letzten Kilometer legten wir in der Rheinebene zurück, schon den Kaffeegeschmack auf der Zunge und die heiße Dusche im Sinn.

Wir wurden nicht enttäuscht. Toller Tag, tolle Gegend, tolle erste Etappe. Und schlussendlich ein tolles Hotel. Was will man mehr? Was zu essen vielleicht und dann die Füße hochlegen. Beides gab es dann auch noch.

Belchenflue – der Steile

Belchenflue

Auch in dieser Nacht klopfte Wasser in Tropfenform in nicht unbeträchtlicher Menge an die Fensterscheiben unserer Unterkunft. Im Unterschied zum Vortag sah der Himmel am Morgen allerdings sehr viel trüber aus. Trübe waren auch die Wetteraussichten. Mit recht hoher Wahrscheinlichkeit ab und an Regen auf der Strecke, mit beinahe absoluter Gewissheit Donner, Blitz und Hagel am Nachmittag in Mulhouse, unserem Etappenziel für diesen Tag. So wäre es jedenfalls gekommen, wenn die Wetterapp zu bestimmen gehabt hätte.

Es begann während des (sehr guten) Frühstücks auch direkt zu tröpfeln, hörte aber auf, als wir auf die Räder stiegen, um den Ritt ins Juragebirge anzutreten. Wir rollten in die Stadt, kamen an den Rhein, überquerten eine Brücke und voilà: waren wir in der Schweiz. Wie am Vortag ging es bereits vom Beginn an stetig bergauf mit der Straße und bergab mit meiner Laune. Ich weiß auch nicht, warum mir solche sanften Steigungen so sehr an den Nerven zerren. Meine innere Stimmung wird immer schlechter und meine Gedanken immer düsterer. Es handelt sich aber glücklicherweise um ein temporäres Phänomen, welches verschwindet, wenn sich die Steigung merklich ändert. Entweder nach unten oder, wie in diesem Fall, nach oben.

Unser erster Grenzübertritt. Im Hintergrund die Schweiz.

Unser erster Grenzübertritt. Im Hintergrund die Schweiz.

Wir konnten spüren, dass wir uns in der Schweiz befanden. Nicht, dass ich es in Worte fassen könnte, aber da war so ein subtiles Gefühl. Natürlich konnten wir schon an den Verkehrsschildern erkennen, dass wir aus Deutschland ausgereist waren. Und an den Steigungen. Wir kamen durch ein kleines Dorf, ich war mit meiner düsteren Stimmung beschäftigt, als urplötzlich die Straße abhob.

Wir hatten am Morgen das uns bevorstehende Höhenprofil studiert und wussten, dass uns auf den ersten 40 Kilometern gleich zwei Nadelspitzen erwarteten. Mit dem, was sich da vor uns den Berg hinaufschlängelte, hätten wir allerdings nicht gerechnet. Ich zumindest nicht, und falls Mario damit gerechnet hatte, dann hatte er nichts gesagt.

In den 30 Minuten, die dann folgten, ging es steil bergauf. Als ob es nicht ohnehin schwer genug wäre, einen Berg hinaufzufahren, der in den Spitzen bis zu 14 Steigungsprozente aufweist, hatten die Planer anscheinend am Wettbewerb Wer baut die steilste Straße mit den wenigsten Kurven teilgenommen und zumindest das Halbfinale erreicht. Im unteren Teil eine angedeutete Serpentine, dann eine sanft geschwungene Rechtskurve und dann geradeaus hoch. Keine Kurven mehr, die gnädigerweise die Höhenmeter kaschierten. Obwohl, eine Kurve gab es ja, ganz oben. Ich murmelte „Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich an die Ostsee gefahren!“, trat in die Pedale und tröstete mich mit dem Gedanken, dass es Mario zumindest schwer haben würde, aus meinem Sichtfeld zu fahren. Ich versuchte, nicht nach oben, sondern stur geradeaus auf den Asphalt zu blicken. Und irgendwann war dann die Spitze einfach da.

Scheiße, ist das steil! Macht aber trotzdem Spaß.

Scheiße, ist das steil! Macht aber trotzdem Spaß.

Die folgende Abfahrt hatten hatten wir uns mühsam erkämpft. Und wir genossen sie in vollen Zügen, allerdings währte sie nicht besonders lang, zumindest im Vergleich zum Vortag. Einsfixdrei waren wir im nächsten Dorf. Und schon wieder führte eine geringe Steigung dazu, dass sich meine Laune trübte. Das war im Übrigen nicht das Einzige, was sich trübte.
Von den Wettervorhersagen hatte ich ja bereits erzählt, und der Himmel sah so aus, als würde er alles daran setzen, diese auch zu erfüllen. Dicke dunkelgraue Wolken schoben sich über die Berggipfel um uns herum und verdunkelten die sowieso schon graue Masse über uns noch zusätzlich.

Nun ist es keineswegs so, dass ich Angst vor ein wenig Regen habe. Wenn es bereits bei Fahrtantritt regnet, ok, das ist nicht besonders gut für die Laune (ich erinnere mich da an HHB letztes Jahr). Aber wenn ich einmal unterwegs bin und dann auch noch eine Regenjacke irgendwo mit mir führe, dann macht mir die Nässe von oben nichts aus. Aber ich hatte nach wie vor unter meiner Zahn-OP zu leiden und durfte täglich Antibiotika schlucken. Ein so geschwächtes Immunsystem zusammen mit Regen, Kälte und Hagel auf dem Rennrad? Danke. Und außerdem: Gewitter im Gebirge? No way!

Ohne Platten geht's wohl nicht.

Ohne Platten geht’s wohl nicht.

So hing ich meinen Gedanken nach, was mir vielleicht die Freude an den urigen Häusern und der schönen Landschaft ein wenig vermieste, so im Nachhinein betrachtet. Wer jedenfalls auf einmal nicht mehr an meinem Hinterrad hing, das war Mario. Nun ist Mario gelernter Fotograf. Und als solcher macht er gern Bilder. Das mache ich zwar auch, aber im Unterschied zu Mario nehme ich die Kamera zur Hand und fotografiere, was mir ins Auge fällt, aus der Fahrt oder mit einem ganz kurzen Stopp. Mario nimmt sich mehr Zeit. Er entdeckt Dinge, die ich so nicht sehe. Dann hält er an, während er bereits überlegt, wie er diese Dinge am Besten ins Bild rücken könnte. Das Ergebnis kann sich dann meist sehen lassen, aber es dauert eben ein wenig länger. So ist es keineswegs selten, dass Mario kurz zurückbleibt.

Ich stellte mein Rad an eine Scheunenwand und nutzte die Gelegenheit, einen Riegel zu essen und meine Beine auszuschütteln. Als ich etwa 10 Minuten geschüttelt hatte und Mario immer noch nicht aufgetaucht war, begann ich mich dann doch ein wenig zu sorgen. Ich musste ihm entgegenfahren. Mit Bedauern ob der blöden ansteigenden Straße, die ich ja nun noch einmal hinauf würde fahren müssen (wenn ich Mario wiedergefunden hatte), setzte ich mich in Bewegung. Einen Kilometer bergab fand ich ihn, mit dreckigen Händen und einem ausgebauten Hinterrad beim schlauchflicken. Im Gegensatz zu seinem Reifen hatte seine Stimmung gottseidank keinen Schaden genommen und so reparierten wir gemeinsam den Schaden (er flickte und ich gab an den richtigen Stellen neunmalkluge Kommentare von mir). Dank meiner tatkräftigen Unterstützung konnte es dann auch bald weitergehen. Bergauf. Erst flach, dann ganz schön. Und dann so richtig steil.

Quäl dich!

Quäl dich!

Um es kurz zu machen: Es war richtig hart. Die Ausblicke waren atemberaubend und schrien förmlich danach, nach jeder Kehre innezuhalten und kurz dem Schöpfer dieser Landschaft zu danken (und dabei kurz zu verschnaufen). Das Juragebirge, zumindest der Teil, den wir zu Gesicht bekamen, kann es spielend mit dem Schwarzwald aufnehmen. Wir beschlossen noch vor dem Gipfel, auf jeden Fall einmal wiederzukommen und noch mehr Ecken dieses Teils der Schweiz zu erkunden. Hatte ich erwähnt, dass es richtig hart war? Die letzten 100 m betrug die Steigung bis zu 22 % (!) und war für mich dann auch ein klein wenig zu hart. Nachdem ich zum dritten Mal innerhalb von 15 m beinahe ungekippt wäre, musste ich kapitulieren, ausklicken, absteigen und schieben. So konnte ich wenigstens Mario dabei beobachten, wie er unter Aufbietung aller Kräfte die letzte Kehre nahm und sich zum Gipfel wuchtete. Eine Kehre von 22 % mit einer Übersetzung von 39-25. Unfassbar. Als ich oben war, konnte er schon wieder lächeln.

Den Belchenflue hinab ging es etwas einfacher. Und schneller. Die Straße schlängelte sich durch ein malerisches Hochtal und ich musste immer wieder daran denken, wie es wäre, in einem der pittoresken Dörfer hier zu leben (auf Dauer sicherlich sterbenslangweilig, Landschaft hin oder her).

Ein Pferd als Zebra verkleidet. Mario: "Guck mal, ein Pferd als Zebra verkleidet!"

Ein Pferd als Zebra verkleidet. Mario: „Guck mal, ein Pferd als Zebra verkleidet!“

Aber auch das schönste Hochtal muss einmal ein Ende haben und so ging es über Kilometer flach abfallend (Highspeed!) und schnurgerade in Richtung Basel. Und hinein ins Navigationschaos.

Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass wir keinerlei Kartenmaterial der Schweiz zur Verfügung hatten. Irgendwie war ich der festen Überzeugung, dass ich irgendwann einmal die komplette OpenCycleMap Europas auf das Garmin geladen hatte. Protipp: Man sollte ab und zu seine Überzeugungen kritisch auf den Prüfstand stellen. Ohne unterlegtes Kartenmaterial ist nämlich der schönste Track auf dem teuersten Garmin nichts weiter als ein Strich in der Landschaft (bzw. auf einem weißen Bildschirm). Das mag kein großes Problem sein, wenn es nur eine Straße weit und breit gibt, aber in einem Dreiländereck mit Städten rundherum wird es dann eben kompliziert. Wie bei uns.

Adventure! Auf dem Garmin war das ein grüner Strich!

Adventure! Auf dem Garmin war das ein grüner Strich!

Glücklicherweise stellte sich heraus, dass wir trotz dieses Handicaps einigermaßen ordentlich dem Strich in der Landschaft hinterherfahren konnten. Zwar führte dieser mehrmals über unbefestigte Wege und zweimal über Eisenbahnbrücken, die wir nur zu Fuß überqueren konnten (Schon mal versucht, in Rennradschuhen über feuchte Lichtgitterroste zu gehen? Verdammt rutschige Angelegenheit, das kann ich euch sagen.), aber hey, ein bisschen Abenteuer muss sein. Jedenfalls kamen wir nach mehreren Grenzübertritten irgendwann an die Dreiländerbrücke in Weil am Rhein und konnten ins wundervolle Frankreich einfallen.

Eisenbahnbrücke die Erste.

Eisenbahnbrücke die Erste.

Mittlerweile türmten sich die Wolkenberge rings um uns bedrohlich am Himmel auf. Nur direkt über uns, als würde jemand die Wolken ringsum zurückhalten, wanderte die Sonne über einen tiefblauen Himmel. Da wir noch den Wetterbericht vom Morgen im Kopf hatten und nicht wissen konnten, dass dieser sich komplett geändert hatte, entschieden wir uns, den grünen Strich im Garmin zu verlassen und stattdessen der direkten Ausschilderung nach Mulhouse zu folgen. Dabei handelte es sich um das französische Äquivalent einer Bundesstraße. Es ist kein Geheimnis, was Radfahrer mitunter auf deutschen Bundesstraßen zu erdulden haben.

Hier zeigte sich wieder einmal der Unterschied zwischen Autofahrern in Deutschland und … (hier beliebiges Land einsetzen). Obwohl die Straße sehr stark frequentiert war, wurden wir nicht ein einziges Mal geschnitten, angehupt oder knapp überholt. Es handelt sich eben nicht um das Klischee vom deutschen Autofahrer, es stimmt tatsächlich. Man kann es gar nicht oft genug wiederholen. So kamen wir zügig und unbeschadet nach Mulhouse. Im Sonnenschein.

Wir hatten unser Hotel im Voraus gebucht, da sowohl meine als auch Marios Kenntnisse der französischen Sprache sehr rudimentär sind. Zwar war ich erst im August mit der Familie in der Bretagne und hätte daher in jeder Bäckerei ein Baguette auf französisch bestellen können. Aber bei der Suche nach einem Hotel, in dem man sein Rennrad sicher unterbringen kann, hilft das wenig. Und so hatte ich mich bereits vorher gekümmert. Am Telefon hatte man mir (auf englisch) gesagt, dass man eine eigene Garage mit einer abschließbaren Box für Fahrräder habe. Klingt gut, dachte ich mir, mit einer Tiefgarage vor Augen. Vor Ort hieß es dann „20 m dort lang, am Haus vorbei, die nächste Querstraße, dann das erste Tor auf der linken Seite.“

Es handelte sich um eine Parkfläche. Im Freien. Mit einer separat umzäunten Fläche mit Fahrradständer. Mit Zaun direkt an der Straße. Gut von der nebenan liegenden Bar einsehbar. Geradezu ideal geeignet, um gut aussehende, obszön teure Fahrräder über Nacht allen Witterungsbedingungen und neugierigen Blicken ausgesetzt zu lassen. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Wir schauten uns kurz an, dann auf die zugehörigen 10-Euro-Fahrradschlösser („wir haben auch Schlösser! Damit können Sie die Räder zusätzlich anschließen!“) und begaben uns auf direktem Weg zurück zur Rezeption.

Man kann die Befestigungsgurte der Rolle auch als Wäscheleinen missbrauchen. Multitalent!

Man kann die Befestigungsgurte der Rolle auch als Wäscheleinen missbrauchen. Multitalent!

Wir konnten dann nach kurzer Diskussion die Räder hinter der 24 Stunden besetzten Rezeption stehen lassen. So begaben wir uns aufs Zimmer (gemeinsam), unter die Dusche (getrennt) und dann in die Stadt (wieder gemeinsam). Mulhouse ist durchaus sehenswert, aber man merkt, dass es sich um eine Touristenstadt im Grenzgebiet handelt. Es ist nämlich alles etwas teurer hier. Aber wie das so ist, wenn man schon einmal da ist: Man muss auch etwas essen.

Grand Ballon – TdF-Spuren

Der Tag begann genau wie die anderen Tage auch – mit Regen. Schnell in die Klamotten geschlüpft, nach den Rädern gesehen und ab zum Frühstück, um vor den anderen Gästen da zu sein. Hatten wir uns gedacht, denn am Abend war noch eine oder zwei Busladungen Touristen angekommen, der Rezeptionsbereich war bei unserer Rückkehr vollgestopft gewesen mit Leuten. Gesagt, getan. Die Räder waren noch da, genauso wie sämtliche Businsassen am Frühstücksbuffet… Dementsprechend zog sich die erste Mahlzeit des Tages länger hin. Nicht, dass es sich gelohnt hätte, denn das Angebot war wohl das mieseste, das ich je für 9,- bekommen habe, aber irgend etwas muss man ja essen. (Falls ihr jetzt denkt: essen die nur? Nein. Nicht nur. Aber eben regelmäßig.)

Die Innenstadt von Mulhouse.

Die Innenstadt von Mulhouse.

Es regnete auch noch, als wir losfuhren. Wir bummelten durch die historische, durchaus sehenswerte Innenstadt von Mulhouse, die an diesem nassen Sonntagmorgen angenehm leer war, so dass wir uns die Fahrstreifen auf den Straßen frei wählen konnten (was von Vorteil ist, wenn man nach dem bereits erwähnten Strich auf dem Garmin fährt und ab und an mal überraschend die Richtung wechseln muss, weil die Straße anders verläuft). Als wir aus der Stadt ausfuhren, klarte der Himmel jedoch auf und die Sonne vertrieb die Feuchtigkeit aus unseren Kleidern. Schön.

Weniger schön, aber mittlerweile zur Gewohnheit geworden, war die leichte Steigung, die kurz nach Mulhouse ihren Anfang nahm und uns bis an den Fuß des Grand Ballon erhalten bleiben sollte. Grand Ballon, so heißt der Belchen in Frankreich. Ich habe keine Ahnung, warum das so ist und wir konnten nirgends ein Schild entdecken, das auch nur den allerkleinsten Hinweis darauf lieferte, dass es sich um einen der Belchen handelte. Vielleicht wissen die Franzosen das selbst nicht so genau. Da können sie sich mit den Schweizern die Hand geben und der Landschaft tat das jedenfalls keinen Abbruch.

21 km Anstieg!

21 km Anstieg!

Bei der Auffahrt zum vogesischen Belchen handelte es sich um die längste der gesamten Tour (unserer Tour, nicht der Tour de France). 21 km sollten wir überbrücken müssen, um zum 1340 m hohen und an diesem Tag in den Wolken thronenden Gipfel zu gelangen. Um es kurz zu sagen: Es zog sich.

Es geht nicht ununterbrochen hoch bis zum Gipfel, sondern erst einmal auf 850 m bis zum Hartmannswillerkopf. Hier bekriegten sich die Deutschen mit den französischen Soldaten im ersten Weltkrieg und legten ein beeindruckendes Schützengrabensystem an, welches dort noch besichtigt werden kann. Da es sich aber mit Rennradschuhen blöd durch Schützengräben klettern lässt, verzichteten wir auf einen Besuch und begnügten uns mit einer kurzen Verschnaufpause. Danach ging es erst einmal bergab.

Und ab!

Und ab!

Nach einer kleinen Abfahrt stieg die Straße wieder an und wir bliesen zum Gipfelsturm. Irgendwie hatte ich neue Kräfte gesammelt und gegen meine schlechte Laune (ich musste auf dem ersten Anstieg wirklich leiden) eingetauscht, so dass mir sogar das Wetter nichts anhaben konnte. Mann, war das kalt und zugig!

Die Auffahrt zum Grand Ballon war rückblickend gesehen nicht nur die längste, sondern auch die am meisten befahrene Bergstraße. Rennradler, Motorradfahrer und historische Autos wollten anscheinend ebenso wie wir wissen, wie es ist, auf über 1300 m zu stehen und sich eine spektakuläre Aussicht vorzustellen. Denn sehen konnte man leider gar nichts, abgesehen von den anderen Fahrzeugen. Schade. Immerhin ist die Auffahrt vorbildlich beschildert und an jedem Kilometer kann man sehen, wie weit es noch bis zum Gipfel ist, wie hoch und mit welcher durchschnittlichen Steigung man rechnen darf. Mitunter kann das etwas deprimierend sein, aber immerhin ist es informativ.

Kalt. Neblig. Feucht. Choose three.

Kalt. Neblig. Feucht. Choose three.

Wir genossen kurz die unvorhandene Aussicht, zogen an windschützenden Sachen über, was wir greifen konnten und machten uns daran, die Abfahrt zu meistern. Auf diese hatte ich mich besonders gefreut, denn ich wollte schon immer einmal über Straßen fahren, die mit Schriftzügen der Profis bemalt sind, die sich hier die Lunge aus dem Leib fahren. Und ich sollte nicht enttäuscht werden. Schon cool, irgendwie, auch wenn ich irgendwann aufhören musste, ständig anzuhalten und Bilder zu machen, weil Mario ungeduldig wurde (wie gesagt, es war scheißkalt und Mario ist eher einer von den zarten Zeitgenossen, was das Temperaturempfinden angeht).

Gänsehautfeeling auf TdF-Spuren. Einfach toll.

Gänsehautfeeling auf TdF-Spuren. Einfach toll.

Die Abfahrt vom Grand Ballon in Richtung Guebwiller ist einfach der Hammer. Scheinbar endlos windet sie sich durch Mischwälder, vorbei an einem Stausee bis fast wieder ganz hinunter und raus aus den Vogesen. Und so rollten wir wieder hinein in die Rheinebene.

Auch in Guebwiller ist die Tour de France allgegenwärtig.

Auch in Guebwiller ist die Tour de France allgegenwärtig.

Man merkt ganz genau, wenn man wieder in Deutschland ist. Die Architektur, der Straßenbelag, die Schilder, die Autofahrer: Alles ist anders. Darüber hinaus markiert der Rhein die Grenze, und das kann man nun wirklich nicht übersehen. Und außerdem war die Karte auf dem Garmin wieder da… Selbst wenn man, so wie wir mittlerweile, in strömendem Regen fuhr. Der Wetterbericht hatte also zumindest an diesem letzten Tag recht behalten. Uns konnte das nicht mehr schrecken, denn an diesem Abend würde uns nicht die Sorge erwarten, ob und wie weit die Klamotten am nächsten Morgen trocken sein würden und ob wir wieder mal ein wenig mit dem Fön nachhelfen müssten. An diesem Abend erwarteten uns frische Sachen im Kofferraum des Autos. Und Flammkuchen.

Der Regen perlt vom Oberschenkel wie vom Rad ab. Schöner optischer Effekt. Geht nur mit rasierten Beinen.

Der Regen perlt vom Oberschenkel wie vom Rad ab. Schöner optischer Effekt. Geht nur mit rasierten Beinen.

Die Belchentour – empfehlenswert?

Die Tour, die vom Tour-Magazin vorgeschlagen und von uns leicht abgewandelt gefahren wurde, war einfach nur schön. Drei Berge (und mehrere Hügel), drei Länder, drei Gebirge. Was auf dem Papier schon gut klingt, entpuppt sich in der Realität als einmaliges Erlebnis. Jeder dieser Berge liegt nicht nur in einem anderen Land, sondern in einem anderen Gebirge. Jeder Gipfel ist umgeben von einer eigenen Landschaft: Der Schwarzwald mit seinen Nadelwäldern, das einsame Juragebirge (Wir haben in der Tat ein paar einheimische Rennradler auf dem ersten Belchen getroffen, die überhaupt nicht wussten, dass es in der Schweiz auch einen Belchen gibt!) mit endlosen Wiesen und Almen und (verdammt) steilen Anstiegen, die Vogesen mit Mischwäldern, die einem den Atem stocken lassen. Jedes dieser Gebirge hätte eine eigene Tour verdient, ohne Frage. Und doch stellt die von uns gefahrene Tour eine ideale Möglichkeit dar, in kürzestmöglicher Zeit eine größtmögliche Fülle an Landschaften mitzunehmen, wie man sie woanders wohl kaum findet. Ganz zu schweigen vom Angeberfaktor: „Vogesen? Schwarzwald? Juragebirge? War ich überall schon. Bin ich überall schon einmal Rad gefahren.“

Da sind wir wieder. Dreckig, aber glücklich.

Da sind wir wieder. Dreckig, aber glücklich.

Unbedingt zur Nachahmung empfohlen. Und jetzt sogar llamaracing approved.

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